Open Spaces
Unter dem Titel Open Spaces zeigt Cécile Hummel eine Auswahl aktueller Arbeiten. In ihnen verfolgt sie Aspekte von Gleichzeitigkeit im Ungleichzeitigen, von Überlagerungen des Flüchtigen, von Vergänglichkeit und Zeitlosigkeit. Die Bildräume stehen für Blicke in die Gegenwart und die Vergangenheit offen. Cécile Hummels Bilder sind Früchte ihrer auf Reisen gemachten Beobachtungen, von zufälligen Fundstücken oder von Expeditionen in Büchern. Für die Ausstellung in Biel arrangiert die Künstlerin Fotografien aus einem Fundus von Bildern, die während längerer Aufenthalte in Ägypten und Sizilien entstanden sind. Drei Fotografien sind sechzehnteilig auf mehreren Bogen ausgedruckt und bilden die Bausteine für grossflächige, mosaikartige Wandbilder. Die im Offsetverfahren gedruckten Bildteile ergeben zusammengesetzt ein ganzes Foto, das in einer zweiten Version gefaltet und ineinander gelegt auch die Publikation bildet. Auf der Wand entstehen über den bereits in sich collagierten Bildflächen mittels einer weiteren Schicht von Fotografien und Zeichnungen räumliche wie zeitliche Überlagerungen. Eine zweite Arbeit besteht aus einer Reihe grosser, auf die Ausstellung hin geschaffener Heliogravüren. Mittels Motiv-Überlagerungen wird in diesen Werken ein Zyklus von Entstehung und Zerfall thematisiert. Dabei wechseln die Motive zwischen architektonischen Fragmenten, städtischen Ansichten und archäologischen Fundstätten. Verdoppelung und Spiegelung heben gleichzeitig ihren ornamentalen, fein gezeichneten und letztlich fragilen Charakter hervor.
Peter Suter: Der Blinde FleckDen mit Kissen gepolsterten Sessel füllt er aus und beansprucht zudem noch die Armlehne des unbesetzten Sessels zu seiner Linken. Ich schaue von hinten auf ihn hinab und der kleine schwarze Tisch, der vor ihm steht, wird dabei zum Sockel für seinen glänzenden, kahlen Schädel. Der Mann kann das Kommen und Gehen auf der Strasse übersehen, aber aus meiner Sicht schränkt die schwarze Tischplatte seine Übersicht ein, als hätte er ein Brett vor dem Kopf. Das Sehen ist somit mir übertragen, der ich von weiter oben die Situation überblicke. Aber auch meine Sicht ist beeinträchtigt durch den fotografischen Ausschnitt, der die Figuren im Hintergrund krass beschneidet. «Cut» tönt es in meinen Ohren, denn die ersten sich aus meinem Gedächtnis vordrängenden Vergleichsbeispiele, die das eben Wahrgenommene ergänzen wollen, liefern Bilder aus der Filmwelt. Vorrangig solche vom Regisseur, der die Aufnahmen aus zurückgelehnter Haltung dirigiert und mit scharfer Stimme Anweisungen gibt. Zum möglichen Schauplatz filmischer Handlung wird mir die vorgeführte Szene auch deshalb, weil im Kontrast von unbewegtem Sitzen und unabgeschlossenem Vorbeischreiten auf der offenen „Bühne“ ein Spielraum sich abzeichnet, der Abläufe suggeriert, wie sie mir im Film begegnen. Die Strasse kommt nicht zur Ruhe, zieht wie ein träger Fluss an mir vorbei. Und dann ist noch etwas, was mein Schauen beschäftigt. Es ist das Ausgeblendete, Zensurierte. Die Oberkörper und Köpfe der Schreitenden werden mir vorenthalten, wie auch das Gesicht des Sitzenden. Dass ich dieses nicht sehen kann, ist zwar selbstverständlich und in der Rückenansicht begründet. Irritierend ist jedoch, dass auch dem Mann vor mir die Übersicht auf das Geschehen verwehrt scheint. Die schwarze Tafel vor seinen Augen wirkt wie jene in Pressefotos montierte, schwarze Kleber, die verhindern sollen, dass der Abgelichtete identifiziert werden kann. Hier hat die Verhüllungsmassnahme in einer Umkehrung Eingang ins Bild gefunden. Nicht dem Bildbetrachter, sondern dem Abgebildeten wird das erkennende Sehen verwehrt. Ein Blinder Fleck ist ins Bild eingebaut und unterwandert die gewohnten Bedingungen der Wahrnehmung. Aus der Edition Open Spaces